Zwischen den Jahren (Folge 5)

Femtio år – 50 Jahre. So alt werde ich dieses Jahr noch nicht. Aber bald. Bei einem Kurseinsatz heute bekam ich ein handfestes memento veterare.

Ohne es verhindern oder auch nur aufhalten zu können, eile ich meinem Geburtstag entgegen. Dieses Jahr wird es ein unspektakulärer Jahrestag sein. Immerhin fällt er auf einen Freitag, somit auf ein Wochenende.
Das wird nichts helfen, denn an meinem Geburtstag sind für gewöhnlich die meisten Freunde verreist. Oder zu erschöpft von den vorausgegangenen Familienfeiern.

Ich bin daran gewöhnt, meinen von manchen so genannten „Ehrentag” alleine zu verbringen. Dabei bevorzuge ich Geburtstagsfeiern auf Rädern. Mit dem Zug fahren gehört zu meinen Leidenschaften. Diesmal wird das nicht gehen, respektive fahren, denn ich bin hier eingespannt. Am Vorabend meines GBT muss ich im Büro arbeiten und an den Tagen danach bin ich als Kirchenmusiker aktiv. Ratet mal, was mir mehr Freude macht. 😉

Wenigstens werden mir die Büroeinsätze Gelegenheit zu Zugfahrten innerhalb Berlins geben. Nun gut, nur kurze, aber immerhin. Und zu den Vorzügen meiner Traumstadt Berlin gehört, dass weite Wege findet, wer sie sucht. Manchmal stoßen Menschen auf sie, die Fußgänger-Wonnen nicht zu schätzen wissen.

Ich kenne aber auch Menschen, die vielleicht gerne liefen, es aber nicht mehr können. Mein bester Freund, der mit 90 Jahren starb, gehörte zu dieser Gruppe. „Fahren Sie mir schon einmal meinen Mercedes vor“ sagte er einmal grinsend zu mir. Er meinte den Rollator, der etwas ungünstig in einer Ecke seines Zimmers stand. Früher war Vater Loftus SJ ein Wanderer gewesen. Nach einigen schweren Stürzen, der erste und schwerste ein unverschuldeter Unfall, musste er diese Bewegungsart immer stärker einschränken. Er nahm es mit dem für ihn so typischen Humor.

Als ich heute in einen Raum kam, in dem ich eine Stunde später Senioren beiderlei Geschlechts unterrichten würde, sah ich einen motorlosen Mercedes. Sofort musste ich an meinen besten Freund denken. Und dann habe ich mich gefragt: Wann werde ich selbst so eine Gehhilfe brauchen?

In dem Film „Gladiator” von Ridley Scott gibt es einen Satz, mit dem ich mir jetzt diese Frage beantworte. Ein Mitstreiter gibt dem gefallenen Titelhelden die letzte Ehre. Er freut sich, so der Überlebende, darauf, den Freund im Jenseits wieder zu treffen. – Der Film tut sein Bestes, um einem dieses Jenseits schmackhaft zu machen. Die Hand des Helden streift über im sanften Wind wogende Ähren, sein Sohn und seine Frau warten auf ihn, das Licht ist wunderschön und alles Grauen ist verschwunden. Wie sollte man nicht in diese erlöste Welt wollen? – Der weiter im Diesseits Lebende spricht trotzdem seinen Satz mit zwei Wörtern: „Noch nicht.”

Ein anderer Freund von mir nannte das Noch nicht“ das Existential der Hoffnung. Aber das ist schon wieder eine andere Geschichte.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert