Von Hirten, Schafen und Fischen

Du musst ein Schaf sein in dieser Welt. – Echt jetzt? Warum kein Schwein?

Alte Bilder können echte Aufreger sein. Wenn moderne Leute bei sich plötzlich spirituelle Sehnsuchtsanfälle wahrnehmen und einen zaghaften Blick auf kirchliche traditionals (gerne auch musikalische) werfen – husch, sind sie wieder weg. Da ist von Hirten die Rede, mancherorts immer noch „hochwürdigen“. Und von deren „Schäfchen“. Schafe haben in unserem Kulturkreis einen miesen Ruf. Nein, sie sind nicht böse. Aber strohdoof. Sagt man zumindest. Määähh…

Nicht jeder Mann ist mit der Einstufung einverstanden, die die „Ärzte“ anno 1998 auf dem Album „13” vornahmen. Ich unterstelle jetzt einigen Geschlechtsgenossen mal, dass sie sich gerne in die Rolle eines Wildebers hinein phantasieren. Aber, liebe Möchtegern-Schwarzkittel, unterschätzt nicht die dazugehörigen Bachen. Die haben extrem scharfe Zähne und können im Zweifelsfall besser damit umgehen als eure Traumtiere. Beim großen Manitou. Oink.

Wenn schon Schwarzkittel, warum dann nicht mit weißem Kragen? Uj, das war jetzt gewagt.
Aber mal im Ernst: Vielleicht ist es kein Zufall, dass christliche Geistliche Schwarz zu ihrer Kleidungsfarbe Nr. 1 erklärt haben, mindestens in der Öffentlichkeit. Auch ohne Anleihen in der Tierwelt, die Farbe, die nach der Farbtheorie gar keine Farbe ist, hat einige Wirkungs-Eigenschaften, die einem Wesen helfen, das sich Gefahren ausgesetzt glaubt. – Solange man sich nicht auf zugeschneiten Flächen bewegt, ist Schwarz eine erstklassige Tarnung. Auf schwarzer Kleidung sieht man keine Flecken, Chirurgen trugen früher schwarze Kittel. (Lektüre-Tip für Mutige: „Schnitt!“ vom niederländischen Chirurgen Arnold van de Laar; zu den schwarzen Kitteln der alten Chirurgen auf Seite 135 unten.) Dann ist Schwarz neutral. Bei uns Katholiken ist das nicht ganz unwichtig, weil einige gängige Farben bei uns eine bestimmte Bedeutung haben. Ein rotes Messgewand beim Vorsteher einer Messfeier steht mal eben für Blut, das Violett für Buße, Grün ist ganz ok, aber eben nur zu den entsprechenden Sonntagen im Jahreskreis. Schwarz geht immer. Jedenfalls unter dem Gewand.

Auch bei den Schafen? Schließlich nennen sich zahlreiche Gemeindevorsteher und Vorsteherinnen unterschiedlicher christlicher Bekenntnisse Pastor/-in. Also Hirte. Der von Berufs wegen Schafe hütet.
Jesus hat ausdrücklich vor einer solchen Praxis der Selbst- oder Fremd-Auszeichnung gewarnt, siehe Kapitel 23 im Evangelium nach Matthäus. Aber wie bitte soll es Gemeindeleben ohne menschliche Leitung geben? Weltweit und jeder Zeit?

Ich erlaube mir, solche Fragen zu stellen, obwohl ich keine Sendung habe. Ein theologischer Studienabschluss fehlt mir, mit den griechischen Originaltexten der kanonischen Evangelien habe ich mich nie beschäftigen können, von den hebräischen Büchern der Bibel ganz zu schweigen.
Ich erinnere mich sehr gut an einen Redaktionsauftrag, den mir ein Mitarbeiter vorschlug, der aber noch vom Chefredakteur freizugeben war. Die Freigabe blieb aus. Wie ich erwartet hatte. Denn der Grund war einfach: „Du bist kein Theologe. Warum sollte ich dich darüber schreiben lassen? (Wie sieht das denn aus.)“ – Ich verstand das, ein Chefredakteur hat Verantwortung nicht nur für die Qualität der Texte, sondern auch für die Qualifikation der Autorinnen und Autoren.

An meiner verbrieften Qualifikation hat sich nichts getan. Was ziemlich bitter ist, suche ich doch gerade nach einem neuen beruflichen Weg. Aber zum Bischof werde ich es mit meinen fuffzich Lenzen nicht mehr bringen und zum lehrbefähigten Theologen auch nicht.
Ich habe schon Menschen kennengelernt, die im Umfeld von Bischöfen arbeiteten. Ehrlich gesagt: Die zwei, die ich gerade konkret vor dem geistigen Auge habe, ließen mich damals spontan an Hirtenhunde denken. Sie waren bissig, eifrig darauf bedacht, möglichst niemanden an ihren Dienstherren heran zu lassen. Der sollte selbst entscheiden, auf wen er zuging, um einem Menschen Hand und Wort zu reichen. Wuff.
Ehe ich einen solchen Job übernähme, würde ich definitiv Schaf bleiben wollen. (Kalauer-Alarm: eines mit schwarzem Fell 😉 )

Jesus war mit der Bestellung von Hirten sehr sparsam. Er selbst, sagt er im Johannes-Evangelium (Joh 10 Vers 11), ist der Gute Hirte. Seinem vollmundig wagemutigen und dann kläglichst versagenden Jünger Petrus gibt er in der Nacht des Verrats einen anderen Auftrag.
Ja, bei der Neuauflage dieses Auftrags verwendet der auferstandene Jesus dreimal das Bild vom Schafe-Weiden (Joh 23 Verse ab 15). Ob das eine konkrete Dienstanweisung an jeden Geistlichen ist? Das müssen Andere entscheiden, die besser qualifiziert sind. Wofür haben wir studierte Theologen beiderlei Geschlechts?

Für mich persönlich interessanter und einen prüfenden Blick wert ist die Geschichte, wie Jesus den Noch-nicht-Jünger Simon bar Jona bei der ersten Begegnung anspricht und ihm den ersten Auftrag gibt. Simon ist Fischer. Und bei der Arbeit. Da ruft ihm der predigend wandernde Zimmermanns-Ziehsohn zu, dass er, Simon samt Brüdern, das Fischen aufgeben soll, um künftig Menschen zu fischen. (Alles nachzulesen hier im Markus-Evangelium Kapitel 1 ab Vers 14)

Ich bin ein mieser Angler. Als Teenager habe ich versucht, eine Angel zu gebrauchen. Kuno der Killerkarpfen zeigte mir, dass ich es besser bleiben lasse. Vom Fischteich in Brachthausen hat mich nicht der Herr abberufen. Es war ein Karpfen.

OSM-Kartenausschnitt Brachthausen mit Fischteich
Quelle: www.openstreetmap.org/export#map=16/51.0324/8.0875

Gut dreißig Jahre später werde ich zwar von niemandem als Angler bewundert, aber von vielen als Lehrer. Ojeh, so soll man sich doch nicht nennen lassen. Deswegen nenne ich mich lieber Referent, das klingt netter, beziehungsweise kommt der Begriff in der Bibel nicht vor. 😉

Trotzdem: Menschenfischer bin ich irgendwie schon. Auch wenn ich nicht wirklich zu dem Job tauge. Wenn ich so die Kommentare zu meinen Blog-Texten ansehe, oder die Zugriffszahlen, tja.
Aber ehe ich hier in’s Lamentieren verfalle, quasi auf der Zielgeraden; auch hier hilft ein Blick in die frohmachende Botschaft, noch einmal mein Lieblings-Evangelium, das nach Johannes. In Joh 21 erzählt der Text, wie die Jünger Jesu, inklusive Fischerei-Fachmann Simon Petrus, voll in die Pfütze hauen. Nix, kein Fisch im Netz. Der See gewinnt. Ihr nächster Einsatz, bitte.

Ein Einsatz-Tip kommt vom Rand. „Werft das Netz zur anderen Seite raus.“ (Na klar, die ganze Nacht gefischt und auf die Idee sind wir nicht gekommen. Scherzkeks. Aber huch… 😀 )

Ich sollte mal nachsehen, wo ich mein Netz noch nicht ausgeworfen habe. Hat jemand einen Tip?

2 Gedanken zu „Von Hirten, Schafen und Fischen

    1. Dass ich kein ausgebildeter Theologe bin, ist nun einmal Fakt. Da hilft auch das christlich gefärbte Philosophie-Studium nichts. Ein Hörer meines Lieblingsprofessors ist Bischof geworden. Aber der hatte als Hauptfach katholische Theologie, nicht Germanistik. Mein osteuropäischen Erfahrungen und Begegnungen mit der russischen Orthodoxie sind für mich persönlich zwar sehr prägend, aber nicht aktenkundig. Deutschland, so lernte ich schon als Schüler, ist das Land, in dem nur schriftliche Belege (also Zeugnisse und Urkunden) als Qualifikation taugen, Erfahrungen und Erkenntnisse gelten nicht. Ein Beispiel liefert das Chefredakteur-Zitat im Blogbeitrag, es gibt aber sehr viel mehr.

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