Zu Beginn ein Claimer (Gegenteil eines Dis-Claimers)
– Wer Israel als Staat oder Menschen, die sich zu Israel bekennen, ablehnt, darf hier aufhören. Es gibt nichts zu wollen für Dich / Sie,
– Wer über militärische Themen diskutieren möchte, ist bei mir falsch und das Weiterlesen wäre reine Zeitverschwendung.
Noch da? Das freut mich. Und zwar sehr.
An dieser Stelle stand zwischen Karsamstag 21 Uhr und dem Mittag des Ostersonntags eine Einladung. Der ist niemand gefolgt, was aber nicht anders zu erwarten war. Stichwort Reichweite. Aber die Osterzeit ist noch lang! Wer mal zu Gast kommen möchte, einfach eine kurze Info per
E-M. an ostern (🇸🇪 snabel-a) lautwert.de oder auf einem anderen bekannten Kontaktweg. Ich freue mich total.😊
Nun aber zum Text.
Er hat einen Prolog und fünf Abschnitte:
I Wo die Zitronen (nicht mehr) blüh’n
II Next door to Alice
III Besuch auf dem Dach
IV Der Taumelbecher
V Der Weg nach Bethlehem
Ein kleiner Hinweis wegen der verwendeten Fotos:
Dieser Text beschreibt Erlebnisse, die ich vor 30 Jahren hatte. Damals gab es weder Smartphones, noch WLAN, bezahlbare Digitalkameras, Google oder andere Errungenschaften des 21. Jahrhunderts. Die Fotos sind allesamt nicht an den Originalschauplätzen entstanden, sondern erst viele Jahre später an anderen Orten. Weil sie den geschilderten Gegebenheiten aber ähneln, habe ich sie aus meinem Fundus ausgesucht.
Prolog am Primorskij Boulevard
Ich habe den Moment wohl nicht in mein Tagebuch aufgenommen. Aber er steht mir vor dem geistigen Auge. An einem Tag mit sehr schönem Licht ging ich, wie häufig, am Primorskij Boulevard spazieren. Es dürfte zu einer verhältnismäßig frühen Stunde gewesen sein, denn mein Geist war noch offen, kaum gefüllt mit Eindrücken der quirligen Stadt. Hier, mit direktem Blick auf das Schwarze Meer, einige Schiffe im Sichtfeld, die am Horizont verschwanden oder hervortraten, herrschte eine eigentümliche Ruhe. Peresyp, der Industriehafen mit seinen Gerüchen nach Öl, Staub und Eisen, lag weit genug entfernt, dass sein Lärm nur selten an das Ohr drang.
Plötzlich blieb mein Blick an einem Zettel hängen. In etwa im Din A4-Format, an sich unauffällig. Aber der damals ungewöhnliche Farbdruck erregte zuletzt doch meine Aufmerksamkeit.
Als ich näher herangetreten war, konnte ich lesen, was hier in der Nähe zum damaligen Zivilhafen dem Publikum angeboten wurde. Es war eine Schiffsverbindung, die einmal im Monat die Überfahrt nach Haifa ermöglichte. –
Die vorösterliche Fastenzeit hatte kurz zuvor begonnen, bei den orthodoxen Christen in dem Jahr nur eine Woche später als bei uns West-Römern. Blitzartig kam mir in den Sinn: „Wie wäre es, zu Ostern ins Heilige Land zu pilgern? Von Odeça aus. Mit dem Schiff.“ Ich notierte mir die beiden nächsten Abfahrt-Termine.
Wieder zu Hause angekommen, wo ich zwei Kalender als getrennte Tagebücher benutzte, sah ich nach, ob einer der beiden Schiffs-Abfahrten für eine Pilgerreise passte. Das Ergebnis war: Nein, so würde es nicht laufen können. Der Ostersonntag fiel in jenem Jahr auf den 16. April und mit dem April-Schiff wäre ich knapp zu spät in Israel angekommen. Von Mitte März bis spät in den April nicht in Odeça zu sein, kam nicht in Frage. Das hätte gegen die Bedingungen meines Stipendiums verstoßen und war mit meinem laufenden Forschungsprojekt keineswegs vereinbar.
Im Mittelpunkt dieser wissenschaftlichen Arbeit stand der jiddisch schreibende Dichter Aleksandr Abramovitsch Bejderman, mit dem ich mich regelmäßig traf. Fast immer im Jüdischen Kulturzentrum. So auch am 31. März ’95. Ich erinnere mich sehr gut, dass wir in einem altmodischen Klassenraum über Eck saßen und meine erste Übersetzung einiger Gedichte besprachen. Es hagelte Korrekturen, zumal Aleksandr Abramovitsch ausgezeichnet Deutsch verstand und sprach. Er legte gleichwohl großen Wert darauf, dass wir uns auf Russisch unterhielten. Schließlich wollte ich vor allem diese Sprache lernen.
Ich wusste, das Bejderman kurz zuvor zum ersten Mal in Israel gewesen war und erzählte ihm von meinen leider gescheiterten Reiseplänen. Dass es für mich um eine Pilgerreise ging, musste ich ihm nicht verschweigen. Er wusste um meine Ausrichtung und akzeptierte sie ohne Einschränkung. Wenige Jahre später sollte ich in Regensburg die Freude haben, ihn mit der katholischen Welt bekannt zu machen, ohne ihn bekehren zu wollen – er fragte von sich aus danach. Und blieb genau der Freigeist, als den ich hoch schätzte.
Als ich nun von der Schiffspassage zur falschen Zeit erzählte, lächelte er das typische Bejderman-Lächeln und sagte mit sonorer Stimme: „Mein Freund, da kann ich Ihnen vielleicht helfen. Wir sind ja hier im Kulturzentrum und wie Sie wissen, werden hier Sowjet-Menschen für die Ausreise nach Israel vorbereitet. Dafür gibt es Kontingent-Plätze in Flugzeugen, die noch nicht einmal Geld kosten. Ich werde fragen, ob Sie einen solchen Platz bekommen können.“ – Er fragte und bekam positive Antwort. Nun musste ich nur den nächsten Schritt tun und bei Sochnút anrufen. Am Dienstag vor dem Palmsonntag versuchte ich mein Glück unter der Rufnummer 264 729 zum ersten Mal. Am Freitag kam ich um Viertel nach Eins durch und eilte sofort zum Flughafen, um dort mein Flugticket abzuholen. Es lag noch nicht bereit. Kein Problem für einen Halbodessiten wie mich, zu dem ich längst geworden war. Am Montagmorgen der Karwoche um 10 Uhr war ich wieder am Airport und diesmal bekam ich mein Ticket. Knapp 24 Stunden später nahm ich wieder den Bus von der Innenstadt, der in jenen Jahren wie alle öffentlichen Verkehrsmittel im Rayon gratis war. Ich bezahlte trotzdem 50 Mark – an einen Taschendieb. Der immerhin so freundlich war, nur das Bargeld zu stehlen und mich außerdem davor bewahrte, zu früh aus dem gedrängt vollen Bus auszusteigen. Ein brillanter Meister seines Fachs! – Als ich den Diebstahl bemerkte, zollte ich ihm stillen Respekt. Und sagte ihm im Stillen, er sollte mir nur nie wieder unter die Augen kommen, sonst…
In Gestalt eines Zoll-Beamten, dem seine sowjetische anti-westliche Prägung überdeutlich anzumerken war, begegnete mir noch ein weiterer Übeltäter, der mich zwar keines Geldscheins, dafür der für meine spätere Heimreise unverzichtbaren Einreise-Zollerklärung beraubte. Als ich ihm durchaus laut und einigermaßen verzweifelt zurief, wie wichtig dieses Dokument für mich sei, ließ er die rechte Hand auf dem Holster seiner Dienstpistole liegen. Eine klare Ansage. – Einige Minuten saß ich über den Wolken an Bord einer von Air Ukraine gemieteten El-Al-Maschine mit Kurs Ben Gurion Airport Tel Aviv.
I Wo die Zitronen (nicht mehr) blüh’n
Wir landeten pünktlich und während viele Reisende von den Grenzbeamten in lange Interviews verstrickt wurden, winkte mich eine junge Frau nach kurzem Blick in meinen Reisepass durch. Ein Lächeln sah ich zwar nicht bei ihr, aber dass ich sie mit Schalóm begrüßte und in ihrem Alter war, schuf wohl Vertrauen. Im Vorfeld hatte ein Studienfreund auf meinen per E-Mail übermittelten Wunsch hin die Israelische Botschaft angerufen und die Auskunft bekommen, ich werde bei der Einreise keine Schwierigkeiten haben. Das erwies sich als richtig. Bei der Ausreise nach Odeça sah das anders aus, aber darum wird es in diesem Blog nicht gehen. 😉
Jetzt nach der Ankunft galt es ein ganz anderes Problem zu lösen: Es war relativ spät und von meinen Hauswirten hatte ich nur einen Telefonnummer von ehemaligen Nachbarn bekommen, die vor Jahren nach Israel übersiedelt waren und die irgendwo lebten. Von einer Telefonzelle aus rief ich an und bekam sogar das typische russische halb fragende „Dá?“ zu hören, was nichts anderes als „Ja?“ bedeutet. In geübtem Russisch grüßte ich zunächst von der Familie K. und frage, ob mein Hauswirt mich angekündigt habe, ich bräuchte für eine Nacht eine Unterkunft. – Die Antwort auf beide Fragen hieß „Njet“. Weder hatte Valerij die ehemaligen Nachbarn angerufen – was auch schwierig war, denn die Familie hatte damals noch keinen Telefonanschluss – noch konnte man mich aufnehmen, denn die Wohnung liege fernab des Flughafens und eine Autofahrt wolle man nicht unternehmen. Mit einem beiläufigen „einen guten Weg“ beendete die Gegenseite das Telefonat. Und ich stand da, allein am Flughafen von Tel Aviv.
Ich wandte mich an einen freundlichen Menschen am Info-Schalter. Ob wir russisch oder englisch miteinander sprachen, weiß ich nicht mehr. Vielleicht war es sogar ein Gemisch der beiden Sprachen. Jedenfalls zeigte er mir den Weg zu einer Bus-Haltestelle, von der aus ich nach Tel Aviv fahren könne. Das Ticket verkaufte er mir direkt und es war nicht teuer. Eine Handvoll Schekel hatte ich dabei!
Im Bus nun erlebte ich mein erstes Wunder im Heilgen Land. Ein paar Reihen vor mir hörte ich deutsche Stimmen. Mit einem Dialekt, der mir sofort klar machte: Ich hatte es mit jungen Leuten aus Österreich zu tun. „Die Zitronen sind schon abgeerntet.“ kam mir als Antwort auf die Frage nach den zu erwartenden Tageshöchsttemperaturen zu Ohren.
Ich beschloss, etwas zu tun, was mir damals schwer fiel. Ich sprach die Wildfremden an. Und ich erfuhr, dass zwei von ihnen angereist waren, um ihre Studienfreunde zu besuchen. Die waren mit im Bus. Ein junger Mann, der zu den Gastgebern gehörte, sagte mir: „Wir wohnen in einem Wohnheim und da können wir dich leider nicht mit unterbringen. Aber wir sagen dir, wenn der Bus in der Nähe vom „Green Door“ hält, da ist eigentlich immer ein Bett frei.“
So war es. Auftritt Debbie.
II Next door to Alice
Nein, Debbie in Tel Aviv verdient einen eigenen Blog-Artikel. 😊 (In meinen Programm-Codes wird sie stets durch eine Variable gewürdigt!)
Deswegen wechseln wir an dieser Stelle zu einer anderen Lady, die in der Jerusalemer Altstadt lebte.
Hatte die Herbergssuche in Tel Aviv noch überraschend schnell zum Erfolg geführt, verlief die Entsprechung in der Heiligen Stadt annähernd biblisch. Zwar war ich allein unterwegs, ohne schwangere Begleiterin und nicht im Winter, der in Israel durchaus schneekalt sein kann. Aber alle Quartiere, die ich mir leisten konnte, waren ausgebucht. Auch in den durchweg mit freundlichen Menschen ausgestatteten Pilger-Büros jedweder Konfession konnte man mir nicht helfen.
Ein paar Mal kam ich an einem idyllischen Innenhof vorbei, an dessen steinernem Tor ein Schild hing, das in „Alice’s Rush In“ einlud. Wirklich sehr hübsch, das Anwesen – mit einem kleinen Garten, einem Tee-Tisch samt freundlich lächelndem Mann und offensichtlich zum Quartier gehörenden Dachterrassen, die zu hübsch bemalten Holztüren führten. Nur die Preise! Oje, mit einer Handvoll Schekalím oder selbst Dollar war es hier definitiv nicht getan. Ich ging mindestens dreimal am Alice-Hof vorbei.
Zuletzt muss mein Gesichtsausdruck so verzweifelt gewesen sein, dass der Mann am Tee-Tisch sitzende lächelnde Mann aufstand und mich auf Englisch einlud, doch einzutreten. Ich folgte seiner Einladung höflich, freute mich über seine Einladung zum Tee, benannte aber auch gleich mein Problem: „Ich kann mir diese Unterkunft nicht leisten. Nicht einmal für eine Nacht.“ Er winkte ab und sagte, ich sollte meinen Tee weiter trinken. Er spreche mit Alice, der Chefin.
Die kam. Eine ältere Dame, ziemlich voluminös, mit wahrscheinlich gefärbten Haaren und ebenso resolut wie herzlich. Sie sagte: „Also, wenn es dir nichts ausmacht: Wir können dich in einem kalten Kellerraum mit mehreren Betten unterbringen. Außer dir schläft noch ein alter kranker Mann darin, der leider stark erkältet ist. Aber dieses Bett ist billig!“ – Ich nahm das Angebot an. Die Alternative wäre eine Nacht auf dem Straßenpflaster Jerusalems gewesen.
Es versteht sich von selbst, dass der Kellerraum über keine eigene Toilette verfügte. Statt dessen gab es ein Plumpsklo auf dem idyllischen Innenhof. Jeder Garten braucht Dünger, nicht wahr? 😁
Am ersten Morgen in der Alice-Herberge hatte ich freien Zugang. Außer dem doch nur sehr zurückhaltend hustenden und sonst wortkargen Mann und mir gab es noch keine Gäste. Aber das sollte sich ändern. Alice, die mich mit Vornamen ansprach, sagte: „Thorsten, heute Abend kommt ein Bus mit Pilgern aus Zypern. Du musst in einen anderen Raum. Der Preis bleibt der gleiche, aber der Raum ist noch etwas weniger bequem.“ Es war Gründonnerstag und ich machte mir keine Illusionen, heute eine andere Unterkunft zu finden. Da mich Alice mit einer warmen Decke ausgestattet hatte und das sicher auch im noch kälteren Bettensaal tun würde, sagte ich sofort zu. Es war kein Fehler. Ich fand das Nachtlager sogar angenehmer als das vorherige. Verstehe einer deutsche Halbodessiten.
Die unangenehme Überraschung kam am Morgen des Karfreitag. Ich hatte gerade auf dem Plumpsklo Platz genommen, da hörte ich Schritte auf die nur dürftig verriegelte Kabinentür zukommen. Eine energische Zugbewegung folgte. Ich sagte auf Englisch, dass im Moment noch besetzt sei. Wortlos aber mit unglaublicher Energie wurde jetzt an der Tür gerüttelt, so dass sich der Riegel gefährlich dem Versagen näherte. Ich versuchte mein Glück auf Russisch und echter Angst in der Stimme. Die Tür bebte wieder. Ich beeilte mich. Als ich die Tür schließlich öffnete, stand mir eine kleine alte Dame mit Gehstock gegenüber. Ihr Gesichtsausdruck war vollkommen ruhig und gemächlich betrat sie die Klokabine. Eine echte zypriotische Pilgerin. Eine von etwa 80, wie sich herausstellte. Die alle dieses eine Plumpsklo benutzen mussten, eine nach der anderen.
Wieder sprach mich Alice an. Diesmal ließ sie mich aber von einer jungen Frau in ihr Fernsehzimmer rufen. „Thorsten, ich bin ein guter Mensch, aber heute kommt noch ein Bus mit Pilgern und ich brauche beide Räume. Eigentlich muss ich dich rauswerfen. Aber ich bin ein guter Mensch. Und deswegen: Würdest du auf der Dachterrasse schlafen – unter freiem Himmel? Wir geben dir alles, was du brauchst. Aber es ist unter freiem Himmel.“
Was Alice wie eine ungeheure Zumutung vorkam – zum gleichen Preis wie die die Kellerbetten – war für mich ein Traum! Ich sagte sofort ja und Alice hielt Wort. Die junge Frau, deren Namen ich leider vergessen habe, versorgte mich mit drei Decken und zwei Kissen. Das Wetter war herrlich und die Wäsche, die hier trocknete, spendete mir Schatten.
III Besuch auf dem Dach
Es war am Morgen des Karsamstags, als ich Gesellschaft bekam. Ein US-amerikanischer Jude namens Zach(arias). Als Zach die Treppe hinauf kam und unversehens vor mir stand, schrieb ich gerade einen Brief in russischer Sprache. Als er mich mit „Hi!“ begrüßte, erwiderte ich den Gruß mit einem russischen „Privét“. Zach hielt kurz inne, dann sprachen wir russisch miteinander. Er war wie ich von Alice auf’s Dach geschickt worden. Er blieb nur eine Nacht und wir wurden uns schnell einig, wie wir unsere Nachtlager anordneten.
Für mich war diese Nacht kurz, denn um 5 Uhr begann die Feier der Osternacht im nahegelegenen Zions-Kloster. Wie schon der abendliche Gottesdienst am Hohen Donnerstag war dies ein Erlebnis, das mich für immer prägen sollte. Christus ist auferstanden, in Wahrheit auferstanden. Halleluja.
IV Der Taumelbecher
Als ich auf das heimisch gewordene Dach zurück kam, war Zach schon gegangen. Er hatte mir erzählt, dass er mit einigen US-amerikanischen jungen Leuten als Betreuer nach Israel gekommen sei und dass er den Rest seiner Reisezeit auch mit ihnen campe.
Nun wieder allein breitete ich das Ostermahl vor mir aus. Es gab nur ein gefärbtes Ei. Die Benediktiner der Zions-Abtei hatten jedem Gottesdienstbesucher eines geschenkt. Aber gefärbte Eier, die am Ostermorgen gegessen werden, sind ein europäischer Brauch, von dem die Jünger Jesu nichts wussten. Die anderen guten Dinge, die vor zweitausend Jahren im Heiligen Land schon bekannt gewesen sein dürften, hatte ich am Donnerstag erworben: Wein aus Galiläa, Brot mit Sesam aus der Jerusalemer Altstadt. Um ein Lamm zu grillen, fehlte mir auf dem Dach die nötige Gerätschaft und vor allem ein Lamm.
Was mir außerdem fehlte, war Schlaf. Und ein Kühlschrank für etwaige Reste. So musste ich den Wein schon austrinken. Weil mir niemand auf das Dach folgen mochte und Zach bereits zum Camp gezogen war, blieb mir die Aufgabe allein überlassen.
Etliche Le Chaim- und Halleluja-Rufe später war das Ostermahl abgeschlossen und ich sann kurz nach, ob ein Mittagsschläfchen im Schatten der trocknenden Wäsche erlaubt wäre. Ich befand die Idee für gut, legte mich hin und – wachte erst am frühen Abend wieder auf. Ich hatte mindestens sechs Stunden geschlafen. Zu meinem Erstaunen fühlte ich mich gut und kam ziemlich schnell wieder auf die Beine. Wo ich an jenem Ostersonntagabend noch war? Ich kann mich nicht daran erinnern. Aber sehr gut daran, dass ich die Abenddämmerung wieder vom Dach aus bewunderte, dem vielfältigen Glockenklang und Muezzin-Rufen lauschte und mit dem Sternenhimmel über mir zu später Stunde zum zweiten Mal an diesem Ostertag einschlief.
V Der Weg nach Bethlehem
Leichter Regen war es, der mich am Ostermontag weckte. Bei der Morgentoilette meinte Alice, ich müsste die Herberge jetzt wirklich verlassen, denn neue Pilgerscharen hatten sich angekündigt und brauchten jetzt auch die Dach-Plätze. Ich dankte ihr herzlich und ehrlich für die Gastfreundschaft. Am Emmaustag wollte ich Jerusalem sowieso verlassen und nach Bethlehem fahren. Die polnischen Salesianer-Patres in Odeça hatten mir ein Empfehlungsschreiben mitgegeben, in dem die Salesianer von Cremisan bei Bethlehem gebeten wurden, mir für einige Tage Unterkunft zu geben.
Alice erlaubte mir gerne, meinen Rucksack bei ihr im Fernsehzimmer zu deponieren, bis ich aus der Messe im Zions-Kloster zurück sei. Nachdem ich dort mein bisher einziges Orgel-Waterloo erleiden musste, holte ich das leichte Gepäck ab und wanderte zum Bus-Bahnhof.
Es war nicht leicht, ein Ticket nach Bethlehem zu bekommen. Eigentlich gab es gar keines, denn ein Halt im Dorf, in dem Jesus Christus geboren wurde, war nicht vorgesehen. Der Bus-Fahrer hielt trotzdem, um mich aussteigen zu lassen und mein Weg führte mich sofort in eine winzige Teestube, in der sich Taxifahrer eine Pause gönnten. Anhand von Kleidung, Rucksack und stumm bittenden Gesichtsausdruck machte mich einer von ihnen als Kunden aus und fragte, wohin ich wolle. „Nach Cremisan“ antwortete ich. Der Taxifahrer nickte, nannte mir seinen Preis, der in Ordnung war und wir fuhren los. Die Fahrt dauerte ein paar Minuten und wir kamen ins Gespräch. Als wir das Tor des Klosters erreicht hatten, meinte er auf Englisch: „Ich warte ein paar Minuten, ob sie dich aufnehmen. Wenn nicht, bringe ich dich für das gleiche Geld zurück nach Bethlehem.“
To be continued…