Wer sich diesem panischen Ausruf einer definitiv nicht vegetarisch lebenden Frau ohne Vorbehalt anschließt, möge trotzdem weiterlesen. 😀
Es ist schon eine Strafe, unsere primal lebende Familie in der Verwandtschaft zu haben.
Vor einigen Wochen versammelten wir uns, von Norden und Süden kommend, in der Steinhoff-Heimat, im Sauerland.
Nun ist diese Region – mit Verlaub: eine wunderschöne – nicht für ihre vegane oder steinzeitlich inspirierte Kochkunst bekannt.
Aber selbstverständlich beherrscht man hier alle handwerklichen Fähigkeiten, die zur Befriedigung von Hungersgelüsten benötigt werden. Ich erinnere mich immer noch mit einem Grinsen an das Statement eines Sauerländer Gastwirts. Ein Fernsehreporter fragte ihn, was er vegetarisch orientierten Gästen anzubieten habe. Er dachte eine Weile nach. In der vom Kabarettisten Rüdiger Hoffmann einmal vorgeführten Art. Also etwa so wie hier:
Schließlich gab der Gastronom westfälisch-schlagfertig zurück: „Kartoffel-Spezialitäten.“
Was vielen, insbesondere südlich des Weißwurstäquators, nicht klar ist: Wir Sauerländer haben uns anno dazumal mit den preußischen Besatzern nicht gerade leicht getan. Aber den Importschlager №1 übernahmen unsere Vorfahren ebenso gerne in die regionale Küche wie die bis heute strikt preußenfeindlichen Bayern: Die tolle Knolle.
Nun gehöre ich einer besonderen Linie der Paleo-Bewegung an, der primalen nämlich. Begründet hat die der ehemalige Profi-Marathonläufer Mark Sisson (Blog: MDA). Bei uns Primalen sind diverse neumodische Nahrungsmittel, etwa Olivenöl und Butter, erlaubt. Dafür halten wir am vom Mainstream der Paleo-Bewegung ad acta gelegten Low-Carb-Konzept fest. Danach sind Kohlenhydrat-Bomben nach Möglichkeit aus der Ernährung raus zu halten. Kartoffeln sind vollgestopft mit Stärke, einem nach Erhitzen leicht zu verwertenden Kohlenhydrat. Kartoffel-Spezialitäten wie die im Sauerland beliebte Potthucke, großpfannenweise Bratkartoffeln oder Pellkartoffeln bis der Arzt kommt – so weit lasse ich es nicht kommen. Keine Chance. Und bei Brot, meinem früheren Lieblingslebensmittel, ist der Ofen ein für allemal aus. Und nicht nur bei mir.
Inzwischen ist die ganze vor knapp 30 Jahren aus dem brotseligen Sauerland abgewanderte Steinhoff-Familie brotlos. Nicht, weil wir verarmt wären. 😉 Sondern unserer Gesundheit zuliebe.
Bei der Sippe in NRW stieß diese Konsequenz auf wenig Verständnis. Um es ganz vorsichtig auszudrücken.
„Für euch haben wir dann gar nichts mehr anzubieten.“
„Wie? Ihr esst kein echtes Sauerländer Graubrot mehr? Das ist aber doch soooo wichtig!“
Solche Sätze prasselten auf uns ein. Wie zu erwarten war. Den Vogel schoss aber eine liebenswerte Tante ab, als sie ihrem deutlich schlanker und fitter gewordenen Bruder ins Gewissen redete.
„Jeder Arzt kann dir sagen, wie wichtig Vollkornbrot ist. Nur die Wurst und das ganze fette Fleisch essen, das kann doch nicht gesund sein!“
Im Grunde hat die fleischfeindliche Metzgersgattin nicht einmal vollkommen unrecht. Die Basis der primalen Ernährung bildet keineswegs fettes Fleisch. Das idealerweise frisch erlegte Wildbret liegt bei uns auf Massen von grünem Gemüse. Aber das tierische Fett schreckt uns nicht. Im Gegenteil.
Bei allen Fetten ist entscheidend, dass sie möglichst wenig verändert wurden. Einer während der Herstellung erhitzten Wurst werde ich einen luftgetrockneten Rohschinken jederzeit vorziehen. Und kurzgebratene Leber einem stundenlang gekochten Gulasch.
„Bunt“ gemischte Eiweiße mit gesättigten Fetten auf naturbelassenem Salat oder rohem Gemüse, das ist meine erste Wahl für die Hauptmahlzeit. Und sonst gibt es vor allem Eier.
Sicher, neumodischer Kram wie Blutwurst, Eier von auf Legeleistung gezüchteten Hühnern, Olivenöl (gerade mal ein paar Tausend Jahre bekannt) und Joghurt, hätten unsere Vorfahren mit identischem Gen-Bestand bestimmt irritiert. Aber das Leben heute ist weder freie Wildnis noch mit Liebe behüteter Ponyhof. Seinerzeit war das Dafür kein Zuckerschlecken wie bei uns. Aber dazu mehr in einem anderen Blog-Post. Stay tuned!
Sehr schön beschrieben und wunderbar zu lesen.
Ich bekomme Appetit auf Wurst und ich hoffe, dass die bayerische Metzgerinnung nichts einzuwenden hat.