Maronen und Steinpilze muss man fangen. – Das lernte ich vom Sprössling eines bekannten Rechtsmediziners. Na, wenn der es sagt…
Ich bin ein Fan von Prof. Dr. Tsokos. Nicht nur, dass er sauspannende Thriller schreibt (with a little help by his friends). Er gewährt auch Einblicke in Welten, die mich seit Teenager-Zeiten faszinieren, die ich beinahe studiert hätte. Und er macht das so phantastisch, ohne Scheuklappen und gleichzeitig mit solcher Genauigkeit und so viel Respekt vor den Menschen, deren präparierte Körper er erklärt, dass es seine Art hat.
Wie alle richtig Guten hat der aus Kiel stammende Wahlberliner noch Interessen neben der Profession. (Der Begriff bedeutet übrigens wörtlich „Bekenntnis“, aber das nur am Rande.) Die Instagram-Stories zum Wochenende kommen normalerweise nicht aus dem Sektionssaal, sondern von Lost Places, also verlassenen Orten. Burgruinen der Moderne sozusagen. Denn die alten Ritterburgen, soweit noch nicht ganz abgeräumt, sind ja touristische Attraktionen, also alles andere als verlassen.
Am Samstag vor dem meteorologischen Herbst-Anfang (22. September) 2021 sah ich mir die Tsokos-Instagram-Wochenendstory nach längerer Fb-Abstinenz mal wieder an und staunte nicht schlecht. Statt verlassener Heilstätten, Ex-Kasernen und Waldhütten gab es – Pilze.
Anders als der Rechtsmediziner bin ich nicht motorisiert, (leider) kinderlos und auch sonst mit ganz anderen Dingen befasst, aber beim Thema Pilze sammeln kann ich mitreden. Was ich in erster Linie einer bayerischen Freundin verdanke.
Die nahm mich Anno 2014 mit auf eine Expedition ins Hangmaul bei Schwindegg (Obb). Unser Ziel: Maronen und Steinpilze finden. Im Dialekt meiner lieben Freundin allesamt „Schwammerl“ genannt. Auf Hochdeutsch: Schwämme.
Biologen und solche, die es wie ich werden wollten, wissen: Echte Schwämme gehören zum Tierreich, Pilze nicht. Sie gehören zu einem eigenen Reich, dem der Eukaryotischen Lebewesen. Was die auszeichnet? – Dass sie nicht notwendigerweise sonderlich mobil sind.
Genau das unterstellte der junge Instagram-Expeditionsteilnehmer aber den Speisepilzen, die sein Papa sammeln wollte. Pilze sind zum Fangen da, wa? 😉
Ich bin sicher, das ist dem offensichtlich mit Adleraugen begabten Kind eher so rausgerutscht. Aber meiner Pilzsammel-Trainerin hätte das gefallen. Die träumte damals – ich hoffe, ich darf das sagen – von einer Begegnung mit Schwarzkitteln. Denn zu Waldpilzen passt am besten was? Wild. Frisch erlegt. (Ach, Sauvage…)
Nach wie vor bin ich heilfroh, dass wir damals im Wald ohne scharfzahninge Gesellschaft blieben. Mittlerweile durfte ich einige Male bewundern, welche landschaftsgestalterischen Kompetenzen Wildschweine haben. Keine Handschrift, aber Zähne und Klauen kommen da zum Einsatz. Und vor der Pandemie las ich in einer leider nicht mehr existenten Zeitschrift, wie man sich bei Begegnungen mit Wildschweinen verhalten soll. Und wie nicht. Kurz gesagt: Ein Taschenmesser zu zücken ist wirklich keine gute Idee. Und sei es ein Leatherman. Eine Bache mit Frischlingen oder ein auf Krawall gebürsteter Eber finden das nicht lustig. Wusch, wusch, wusch… fetz. Gibt ziemlich sicher einen Fall für Dr. Tsokos.
Dann doch lieber eine Krause Glucke verfolgen. Dieser Vogel wehrt sich nicht und sucht auch nicht flatternd das Weite. Hihi. Ist nämlich gar kein Federvieh, sondern ein Pilz. Laut Lost Places-Besucher und Forensik-Profi M. Tsokos ein besonders gut schmeckender. Leider auch ein super-seltener. – Ich krame in meinen Hirnwindungen (höhö) nach Bildern, wo ich diesem „blumigen“ Gebilde vielleicht schon einmal begegnet bin.
Wie auch immer, beim nächsten Pilzesammeln werde ich die Augen weeeeiiitt offen halten. Nicht so sehr wegen wütender Wildschweine – die hört man wohl. Das Zähneklappern eines Schwarzkittels hat nichts mit seiner Angst zu tun, sondern ist eine allerletzte Warnung. Stand damals in der Zeitschrift. Dann heißt es, sich langsam weg bewegen. Und falls hinter mir etwas herläuft – Hinwerfen. Sofort. Gesicht nach unten. Der damals interviewte Förster meinte, es sei noch kein Fall bekannt geworden, in dem ein Wildschwein einen am Boden liegenden Menschen ernsthaft verletzt habe. Na, ich lege Wert darauf, nicht der Erste zu sein. Also lieber die Ohren offen halten. Glücklicherweise höre ich ausgezeichnet. Abgesehen von Tönen mit 2.000 Hz, da muss es angeblich für mich ein bisschen lauter sein. Das behauptete jedenfalls eine Ohrenarzt-Mitarbeiterin Ende der 90er Jahre an der Mosel. Mit welcher Frequenz knirschen eigentlich Wildschwein-Zähne?
Vielleicht weiß das ja meine Freundin K. aus BY. Wie sie mir vorhin mitteilte, ist sie tatsächlich unter die legalen Jägerinnen gegangen. A legal Lethe ferrygirl. Ohne Jagdhund und – mutmaßlich – ohne Feuerwaffe. Sie lauert vielmehr auf schweigende Beute. Und eher nicht im Schwindegger Hangmaul, sondern westlich davon, nehme ich an.
Gut! Also keine Jagd-Konkurrenz, wenn ich demnächst den Pilzen in Brandenburg hinterher renne. Mein Revier: Mittelerde. Äh, Mittelheide. Östlich von Fangschleuse (sic!) in der Mark.
Falls da ein Pilzjagdhund namens Fidi auftauchen sollte: Beware of the hunter! The mushroom’s hunter. Harrr… (Ach, Fidi, ich tu dir nix, ich will nur spielen.) 🙂
Ein sehr schöner Beitrag zu einem saisonal-herbstlichen Thema.
Ich liebe Pilze – auf dem Teller. Geschmackvoll angemacht von meiner persönlichen Chef-Köchin. „Weiter so““ rufe ich dem Schreiber und der Köchin zu.
Große Erinnerungen an Schwindegg (Katrin). Ich würde mich nicht ans Pilzesammeln trauen. Artikel ist sehr aufschlussreich und gut.