Der Irrtum hält sich hartnäckig, dass Gründonnerstag etwas mit Spinat-Essen zu tun habe. Hier eine kleine Aufklärung für alle, die mit diesem besonderen Wochentag vor Ostern nichts anzufangen wissen.
Das „Grün“ des letzten Donnerstags vor Ostern hat nichts mit der gleichnamigen Farbe zu tun. Früher stand an dieser Stelle das heute reichlich angestaubte Wort „Grein(en)“. In heutigem Deutsch: „Jammern, tränenlos weinen“. Ist der Donnerstag vor Ostern also ein Tag zum Jammern?
Die römisch-katholische Kirche feiert am Abend dieses Tages die Einsetzung der Eucharistie, die landläufig auch Kommunion genannt wird. „Eucharistie“ (griechisch: evcharistia) bedeutet Danksagung, das lateinische „Communio“ übersetzt man mit Gemeinschaft. Beides, rituelle Danksagung und Gemeinschaftsmahl mit seinen Schülern, soll Jesus von Nazareth in der Nacht vor seiner Hinrichtung feierlich begangen haben. Dass dabei jemand gejammert hätte, keine Spur.
Von allen Gottesdiensten ist mir die Abendmahlsfeier zum Hohen Donnerstag die liebste. Wohl auch, weil sie unglaublich emotional sein kann.
Ich erinnere mich bis heute mit Gänsehaut an eine Gründonnerstags-Nacht in einer kleinen Münchner Gemeinde. Gegen Ende wurde ein besonderes Kreuz vor den Altar gelegt, auf dem der gekreuzigte Jesus nur aufgemalt war, dafür aber in Lebensgröße. Einige Menschen nahmen das Kreuz in den Arm, streichelten das gemalte Gesicht, weinten oder waren einfach nur still. Man muss wahrscheinlich dabeigewesen sein, um es nicht lächerlich zu finden. Ich erwarte von niemand, dass er oder sie sich in diese Szene versetzt, mir hat sie sich ganz tief eingebrannt. Ebenso tief wie die Abendmahls-Liturgie, die ich 1995 in Jerusalem, also am Ort des Geschehens, mitfeierte. Am Nachmittag davor hatte ich unversehens am Ölberg gestanden. Dorthin ist Jesus nach dem Abendmahl gegangen und dort wurde er festgenommen.
Auch hier gilt: Wer nicht dort war, sollte nicht versuchen, sich in Gedanken dorthin zu versetzen. Es gibt Wichtigeres als Örtlichkeiten, aber die wirklichen können vieles spürbar machen, was sonst bloßes Gedankenkonstrukt bleibt.
Was damals im heutigen Nahen Osten (von uns aus gesehen nah und Osten) vor sich ging, hat mit unserem Alltag ja nichts zu tun, bleibt abstrakt. Gleichzeitig gibt es Abertausende von Menschen, denen Bedrohungs-Szenarien à la Ölberg ganz konkret zusetzen. Erst heute erzählte mir jemand von Obdachlosen in Moabit, die miteinander in Streit gerieten. Darüber rannte einer von ihnen weg, die anderen folgten ihm ein paar Meter, schrien ihm hinterher. Bis er mit einer Eisenstange bewaffnet zurückkam…
Wer sich im Johannes-Evangelium (Kapitel 18) auskennt, denkt vielleicht wie ich an den mit dem Schwert zuschlagenden Petrus (Vers 10). Ich gehe zwar davon aus, dass der Obdachlose niemanden verteidigen wollte, aber wahrscheinlich brannten bei ihm die gleichen Sicherungen durch wie dem hitzigen Jesus-Jünger. Gewalt war und ist in der Welt, die Wahl der Waffen ist heute eine andere.
Was für mich zu den Kern-Vorstellungen des Gründonnerstagsgeschehens gehört: Jesus von Nazareth bleibt zu jedem Zeitpunkt Herr des Geschehens – freiwillig und gewaltfrei. Er könnte vor der längst offensichtlichen Verfolgung fliehen – er tut es nicht, sondern bleibt (nur noch kurze Zeit, wie er sagt) bei den Leuten, mit denen er zusammen ist. – Er drückt aus, dass er sich auf niemand von ihnen verlässt, dass er am Ende ganz alleine sein wird, er hat Todesangst. Das zeigt sich im Gebet am Ölberg. Aber dann geht er seinen Bedrängern entgegen, ganz und gar souverän. Mit Waffen rückt eine Gurkentruppe an, seine Haltung bringt sie ins Wanken. Ob diese Miliz wirklich buchstäblich zu Boden gegangen ist, wer weiß. Aber der Ton, den Jesus anschlägt, beeindruckt doch enorm, oder? Macht euch selbst ein Bild. Und wer es ganz nah mitbekommen möchte – am 29.3. geht das in jeder katholischen Kirchengemeinde. Hingehen? Warum nicht? Auch Grüne sind willkommen. 😉
Mit großem Interesse gelesen. Ich erinnere mich immer an die vielen Messdienerjahre, die in der Karwoche immer „anders“ waren und sehr lange dauerten.
Ich persönlich bin aber mehr der OSTERFREUDE-Typ, weil ich täglich, mal mehr und mal weniger, eine Welt beobachte, die dringend tiefergehende Freude benötigt.
Ich freue mich , wie immer, auf Ostern und ich bin sicher, daß G.S. da angekommen ist, wo Glaube zur Gewissheit wird.