Schleichend auf dem Sprung

Früher galt ich als lauffaul, heute als das genaue Gegenteil. Warum finde ich trotzdem gerade Langsamkeit spannend?

Ich liebe lange Gehstrecken. Ich habe sie immer geliebt, wenn man sie mich denn laufen ließ. Wobei der Begriff „Laufen“ zugegebenermaßen irreführend ist. Ich war nie auf Tempo aus, bin es bis heute nicht. Sport ist Mord. 😉

Die Natur hat mir lange Beine gegeben – ich muss mich nicht beeilen, um flotter ans Ziel zu kommen als kleiner Gewachsene.
Dass ich heute viel mehr Freude an der Bewegung selbst habe, ist eines der Verdienste von Mark Sisson. Früher genoss ich zwar die Umgebung, musste mich aber von dem Fakt ablenken, dass ich die Beine dafür zu bewegen hatte.

Dem Vorbild meines primalen Gewährsmannes Mark folgend, setzte ich nach der Ernährungsumstellung auf ausgedehnte Wandergänge mit gelegentlichen Sprint- und Kraft-Einlagen. Ganz ehrlich: Die kurzen Kraft-Trainings (Primal Essential Movements, alias PEM) habe ich in den letzten Jahren (!) arg schleifen lassen. Doch es ist nie zu spät, wieder auf den Pfad der Tugend zurückzukehren. Mit Schmackes, wie der Sauerländer sagt. Und ich bin Sauerländer, woll…

Mark Sisson ist Realist. Er weiß, dass wir ohne ausreichende Motivation schnell wieder auf die schiefe Bahn geraten. Auf die bequeme Bahn, wo der berühmte Innere Schweinehund Lokführer ist.
Schweiß und Muskelschmerzen just for fun? So bin ich nicht drauf und ich kenne niemand, der diesen Wahn über eine nennenswerte Anzahl von Jahren durchgehalten hätte. Sissons Rezept: Schaff dir Anreize, finde Lust an Neuem und verlass die Komfortzone so oft wie möglich.

Lautwertblog-Stammleser wissen, wie ich anfing: Mit Challenge-Ideen auf Mini-Litfaßsäulen im Badezimmer. Ja, das hatte ich damals bitter nötig, denn das Verlassen der eigenen vier Wände war mir meistens ein Graus. Es gab schon damals Ausnahmen, aber die waren eine Errungenschaft der ersten Umstellung. Von der Couch-Kartoffel mutierte ich zum Morgenläufer nach Strunz-Manier. Drei Jahre lang lief ich jeden Morgen mindestens 30 Minuten. Brav. Aber leider meistens indoor, also zu Hause. Wo mich keiner sah. Mich musste niemand vorbeischwabbeln sehen, fand ich. Und mich mit anderen zusammentun? Undenkbar, absolut unvorstellbar. Ok, anno 2011 sah es ganz kurz anders aus, aber… nö, daraus wurde nix.

Was mir von Anfang an am Herzen lag, war das Lebendige am Rande des Gehwegs. Während der Münchener Jahre war das rar, in Bogenhausen gibt es kein Leben. 😉 (Na, kommt raus, ihr Hater!)
Ich suchte es umso intensiver, wenn ich auf Reisen war. Auf zwei Kanarischen Inseln hielt ich Lebendiges auf Digitalfotos fest. Aber Fotos sind ja stille Zeugen. Bestenfalls können sie Erinnerungen wecken und so Sehnsüchte. Die führen aber zu nichts Gutem, wenn sie wegen der Alltagsumstände unerreichbar sind.

Derzeit ist mein Alltag von prekären Bedingungen geprägt. Dafür bietet er massenweise freie Blicke und Eindrücke. Das ist Berlin: Arm aber sexy – wobei man über mein Sex-Verständnis hier besonders trefflich streiten kann, hihi.
Die Natur macht vor, wie man den Begriff auch deuten kann. Süße Vogelgesänge? Von wegen, alles pure Macker-Ansagen. Heute auf der Neuköllner Hermannstraße hatte ich es mit einem „Singvogel“ zu tun, dessen Tönen alles Süße komplett abging, der aber das Gleiche meinte wie die geflügelten Schnabelträger. Danach und nach dem Nachtigall-Gesang der letzten Nacht, hatte ich erst einmal die Nase voll von Balzbetrieb. Mit einer für meine Verhältnisse knappen Schleife von nur rund drei Extrakilometern, kehrte ich zu Hause ein. Ja, mitten in der Komfortzone. Aber da hielt es mich nicht lange. Ich überlegte, welches neue Ziel ich vielleicht anlaufen könnte. Oder wenigstens, welchen noch unerkundeten Weg.

Nun, ich kenne meinen Wahlheimat-Kiez jetzt tatsächlich wieder ein Stück besser. Vor allem aber habe ich Taufrisches am Wanderwegesrand gefunden: Frösche. Ich weiß, wo ich sie finden kann, die Ecke ist mir gut bekannt. Aber sie quaken noch nicht, die Frösche. Ich musste schon ein Bachschlamm- und Algenbad riskieren, um nachzusehen, ob es schon Huckepinne gibt.
Es gibt sie. Sie sind noch sehr vorsichtig, sehr scheu. Mir ist aufgefallen, dass sie mich ungefähr so nah an sich heran lassen, wie sie mit einem Sprung kommen. Etwa 5 bis 6 Meter. Jugend forscht für Jungsenioren? Na na, etwaige weibliche Spötter. Lasst mal Mai werden, vielleicht lerne ich ja doch noch zu balzen. Quaaaaak!

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