Freunde kann man sich aussuchen, ihr Händchen für Geschenke nicht. Einige Gedanken zum ursprünglichen Sinn von Krippen-Geschenken.
„War’s Christkindchen brav?“ – Dieses Zitat aus der Weihnachts-Ausgabe 1994 der Sendereihe „Familie Heinz Becker“ sorgt in meiner Familie alle Jahre wieder für große Heiterkeit vor der Bescherung. 2018 haben wir bei den Ritualen etwas geschwächelt. Dafür war die Weihnacht dank des jüngsten Familienmitglieds umso lebendiger und in einem bis zum Heiligabend bangen Punkt von einer großen Erleichterung geprägt. Die größten Wünsche gibt das Leben vor. Und wer kümmert sich dann um die glückliche Erfüllung? Na?
Schon klar, auch ich bin mit dem Wunschzettel sozialisiert worden. Nur hat sich die Art, wie ich ihn schreibe, mächtig verändert.
Was mir wirklich wichtig, so meine Erfahrung, lässt sich sowieso nicht niederschreiben. Selbst wo ich einen sprachlichen Ausdruck fände, wären die Adressaten die falschen.
Leider sind mir keine eigenen Kinder gegeben. Hätte ich welche, würde ich versuchen, sie ohne Wunschzettel an das Weihnachtsfest heran zu führen. Das Kind in der Krippe hat keinen geschrieben. Und, was noch wichtiger ist, niemand hatte seine Geburtstagsfeier auf seiner Agenda.
Wobei – wie war es denn mit den sogenannten Heiligen Drei Königen?
Interessant, dass in keinem Evangelium geschrieben steht, dass es sich bei denen um königliche Herrscher gehandelt hätte. In der Einheitsübersetzung von 2016 ist von Sterndeutern die Rede. Im griechischen Originaltext steht ein Wort, das sich auch mit „Magier“ übersetzen lässt.
Was die ersten mit handfesten Geschenken kommenden Gäste des kindlichen Jesus auch immer zu Hause beruflich machten, sie hatten jedenfalls einen Sinn für das nicht Offensichtliche, das Staunen Erregende, also das Magische. Mit ihren Gaben konnte ein Säugling respektive ein Kleinkind nichts anfangen. Jede der drei Geschenke stellte einen hohen Wert für die Gegenwart da und spielte gleichzeitig auf etwas in der Zukunft an:
- Gold stand für Kostbares, auch für persönliche Würde und das Vermögen, etwas grundlegend zu verändern.
- Weihrauch ist bis heute ein Medium, um sich ohne Worte mit geistigen Räumen zu verbinden, kurz: es geht um Priestertum, mit oder ohne Ordination.
- Myrrhe ist ein Baumharz und Basis von desinfizierenden Heilmitteln. Im alten Orient wurde Myrrhe nicht zuletzt bei der Salbung von Toten verwendet, mutmaßlich um den Verwesungsgeruch zu überdecken. (Von Bakterien wusste man damals noch nichts.)
Machtvoller Reichtum, Würde und wohlriechende Salbe – welches Kind würde das auf seinen Wunschzettel schreiben?
Und welcher Erwachsene würde sich trauen, die genannten Dinge ohne vorherige Absprache jemand anderem zu schenken?
Es ist nicht überliefert, was die Eltern von Jesus mit den Gaben der drei Sterndeuter gemacht haben. Wenig später mussten Mutter Mirjam (so hieß Maria eigentlich) und ihr Gefährte Josif (dito) mit dem Kind nach Ägypten fliehen. Das Evangelium führt diese Flucht auf einen Traum zurück, den Joseph hatte, nachdem die Sterndeuter wieder abgereist waren. Der Herrscher Herodes, so ein Engel in Josephs Traum, trachte dem in die Welt gekommenen Erlöser nach dem Leben. (Mt 2, 13–15)
Halfen die wertvollen Güter den Flüchtlingen über die Runden, bis der Zimmermann aus Nazareth seine junge Familie wieder selbst versorgen konnte? Darüber kann man nur mutmaßen. Aber das tu ich hier gerne. Also…
Ich habe schon viele Geschenke bekommen, die sich im Nachhinein als mehrschichtig wertvoll erwiesen haben.
Da gab es einmal den physischen Gegenstand. Der gefiel mir manchmal erst gar nicht. Überhaupt nicht. Man könnte auch sagen: Ich war enttäuscht. Buchstäblich, denn ich hatte mir etwas ganz anderes vorgestellt.
Enttäuschung gibt es auch in der angenehmen Gestalt. Ich kann mich an ein konkretes Weihnachtsgeschenk erinnern, das meine Wünsche bei weitem übertraf.
Bei allen Geschenken, die mich wohltuend oder bitter enttäuschten, zeigte sich später ein Effekt, der mich weiterbrachte. Wenn ich es richtig überdenke, brachte der Effekt immer einen Ausgleich zu den Gefühlen, die ich als frisch beschenktes Kind empfunden hatte. Manche kargen Gaben pflege und benutze ich bis heute, überraschend großzügige Geschenke zeigten mir später Grenzen auf. Ich wage zu bezweifeln, dass die Schenkenden das so geplant hatten. Vielleicht war gerade bei den unangenehmen Enttäuschungen die eine oder andere lieblose Gleichgültigkeit im Spiel. In unserer Familie laufen solche Mitbringsel unter der Bezeichnung „Gilde-Huhn“, aber das ist eine ganz andere Geschichte, die mit dem Monat März zu tun hat. 😉
Weil jetzt nicht März, sondern Weihnachten ist, noch einmal zurück zur Geschichte der Familie aus Nazareth.
Das erste Weihnachtsfest der Weltgeschichte kam ohne Inszenierung, ohne Einladung und ohne Rituale aus. Doch nicht ohne Gäste!
Die allerersten Geburtstagsgäste waren bekanntlich nicht die Sterndeuter aus dem Osten, sondern Hirten aus der direkten Nachbarschaft. Sehr schräge Leute, sehr missmutig beäugt von wohlanständigen Bürgern. Die für das „Fahrende Volk“-Paar keine Unterkunft frei hatten. Eine tolle Bescherung, vor allem für die hochschwangere blutjunge Frau.
Was bekamen das Neugeborene und seine Eltern wohl von den Hirten? Dazu schweigt sich die kanonische Überlieferung aus.
Kürzlich lernte ich eine volkstümliche Antwort auf die Frage kennen: Den Inhalt eines Weihnachtsliedes, dessen Text mir bis dahin vollkommen unverständlich war. Das dürfte daran liegen, dass es normalerweise im englischen Original vorgetragen wird und dann mit soviel musikalischem Bombast, dass Nicht-Muttersprachler wie ich vermeintlich auf dem Schlachtfeld stehen. Ra-ta-ta-tam…
Was mich (leider) immer an einen Salutschuss denken lässt. Das Lied beschreibt aber den Trommelschlag eines kleinen Jungen, der außer diesem Beat kein Geschenk für das neugeborene Christkind hat.
Ich habe es nicht so mit Legenden, die früheres Geschehen in die Zeit des Publikums versetzen. Trommeln mögen den US-Bürgern anno 1941 etwas Anheimelndes vermittelt haben. Im Jahr 1941 wurde das Weihnachtslied »Little Drummer Boy« laut Wikipedia geschaffen.
Bei mir weckt das Ra-ta-ta-tam Erinnerungen an für mich befremdliche Weihnachts-Bräuche, die ich im nämlichen Jahrhundert in Oberbayern kennenlernte. Ein guter Freund von damals, ein Sohn der Region, nannte den Brauch verächtlich „Ballern für’s Christkind“. Ein ländlicher Schützenverein zeichnete dafür verantwortlich. Und tut es mutmaßlich immer noch. Ra-ta-ta-tam.
Wenn schon lautstark, dann mag ich es so, wie im Lied „Adeste fideles“ (deutscher Titel: Herbei, o ihr Gläubigen).
Dieser festliche Triumph-Gesang ist nicht so viel älter als das zuvor erwähnte „Little Drummer Boy“, gerade einmal knapp 200 Jahre. Und anders als der lateinische Text vermuten lässt, kommt es ebenfalls aus dem englischsprachigen Raum. Wo die Kriegstrommel im 18. Jahrhundert selten still stand.
Wer aber den Text liest, findet darin keine martialischen Phantasien oder fragwürdige Projektionen in die Jetztzeit. – Dass wir nach Bethlehem eingeladen werden, geschenkt. Soviel Projektion darf schon sein, wo bliebe sonst die Phantasie? Und damit das größte Geschenk, das gerade Kinder in unerschöpflicher Fülle besitzen, weil… ja, weil sie es geschenkt bekommen. Ohne Wunschzettel und direkt vom Schöpfer.
Egal, wo deine Wiege stand und wie sie aussah: Stell sie dir kurz vor. Und die Gesichter der Menschen, die Dich in diese Wiege gelegt haben. Es waren bestimmt frohe Mienen, mit glänzenden Augen und voller Jubel über das Magische, das vor ihnen lag und das so weit über das Sichtbare hinaus ging.
Genau dieses magische Wesen kann heute mitsingen, wenn es heißt: Venite adoremus. Tu dir also keinen Zwang an. 🙂
Sing out loud. Halleluja!