Oops, I did it again. Und die Antwort ist 89. – Noch Fragen? Dann kannst Du hier
weiterlesen. Ich bin kein Mann der Massen und war es nie. „Wie wär’s denn“, fragte einst – nur zu einem Bruchteil im Scherz – eine Schulkameradin die partnersuchende andere „mit was Exotischem?“ Damit war ich gemeint.
Keine Zeit für Larmoyanz. Die liegt mir nicht. Ich mag es lieber, mich mit Humor in aussichtslose Lagen zu begeben und lachend aus ihnen raus zu kommen. Bauhöhenbedingt bin ich mit Überblicknahmen vertraut. Wenn es kein Risiko für Leib und Leben zu fürchten gibt, halte ich mich gern an Obelix. („Römer! Lasst sie mir!“) Aber zugegebenermaßen geht eine Wahlschlappe wie die heute kassierte nicht vollkommen spurlos an mir vorbei. Sie haben mich nicht gewählt, schniffz. Heute kein König.
Aus der Krone gebrochene Zacken müssen kein Schaden sein, selbst wenn sie unschön aussehen. Bei einer Abstimmung Letzter geworden zu sein, erbaulich ist das nicht. Nicht auf den ersten Blick.
Auf den zweiten Blick gab es immerhin 89 Personen, die meine Stimme in einem Gremium für nicht wertlos hielten und mir deswegen ihre gaben. Danke!
Anders als Parteipolitiker muss ich mich im Anschluss an den Dank nicht als leider verkannten Wahlgewinner ausgeben. Ich bin mit dem mehr als zufrieden, was ich jetzt schon für die Gemeinschaft tun darf. Ich bin glücklich! Wie schön ist es, andere zum Singen zu bringen und bei Bedarf bei ganz anderen Dingen Rat und Hilfe anbieten zu können.
Ich erinnere mich gerne an einen Moment der Zwiesprache. Genau genommen fand diese Zwiesprache mit einem potentiellen Dienstherren wiederholt statt. Es waren sehr intime Augenblicke, die einem Großteil meiner Blog-Gäste irreal erschienen, würde ich sie genauer schildern. Für mich aber waren sie äußerst real. Sie entfalteten mächtige Wirkung, die bis heute anhält und mutmaßlich auch nicht morgen zu Ende gehen wird. (K)ein Wunder, denn der besagte Dienstherr wurde am heutigen Sonntag als König der Ewigkeit gefeiert.
Während „das Volk“ im Parkett feierte, durfte ich weiter oben mitwirken. Abgehoben? I wo. Nicht abgehoben, weil nicht alleine. Im Chor ist niemand allein, nicht einmal als Solist, der ich heute nicht war. Als solchen könnte ich mich gleichwohl bei anderen Gelegenheiten öfters sehen.
Als Organist, der ich seit 1987 immer mal wieder war und aktuell auch wieder bin, spielt man normalerweise nicht vierhändig, ist also solo. Auf dem Orgelbock hätten zwar durchaus zwei Hinterteile Platz. Aber mehr als zwei Arme kämen sich zu schnell in die Quere, von den pedaltretenden Beinen ganz zu schweigen. Wirklich Solist ist Kirchenmusik-Mensch dennoch nicht. Es geht um Begleitung des Gemeindegesangs, nicht um Spirenzchen.
Eines Tages, so ein alter Traum, möchte ich einmal an der Klais-Orgel in der St. Hedwig-Kathedrale spielen. Einen Gottesdienst begleitend wohlgemerkt, denn als Konzertmusiker tauge ich nicht. Künstlerisches Orgelspiel überlasse ich entsprechenden Fachleuten. Dass in Berlins Kathedrale nach dem Umbau künstlerische Klasse und kirchenmusikalischer Dienst weiter untrennbar miteinander verbunden sein dürften, geschenkt. Es ist ja nur ein Traum.
Aber es wäre reizvoll, einmal alleine im „Krähennest“ zu sitzen. So bezeichnete ein Münchener Freund die Orgel-Empore der St. Hedwig-Kathedrale am Bebelplatz. Die Bischofskirche wird in den kommenden Jahren umgebaut.
Zeit genug für mich, mich an das Ideal heranzutasten. Die – ebenfalls von der Bonner Firma Klais gebaute – Orgel der Kapelle des St. Joseph-Krankenhauses Berlin Weißensee verlangt ihren Spielerinnen und Spielern eine gehörige Prise Höhentoleranz ab. In der alten St. Michael-Kirche (Mitte) sorgt ein hohes Geländer dafür, dass ich keinen Absturz fürchte, wenn ich an der wundervollen Sauer-Orgel Tasten und Pedale drücke. St. Michael in Mitte gehört übrigens zur Kathedral-Gemeinde. Es ist eine Ehre, die hier residente Organistin, eine studierte Virtuosin und Vollblut-Kirchenmusikerin, zu vertreten. Dieses Jahr hatte ich leider erst einmal Gelegenheit dazu und es sieht so aus, dass es bei diesem einen Einsatz 2019 bleiben wird. Aber 2020 wird alles anders.
Dass ich einmal neun Kirchenorgeln in Berlin mehr oder weniger regelmäßig spiele, daran hätte ich vor Jahren bei den oben erwähnten Zwiegesprächen im Traum nicht gedacht.
Ich gebe jetzt doch ein bisschen Butter bei die Fische. Ich fragte damals (π mal Daumen in geschriebenes Wort übersetzt), ob meine Dienste als Organist nach langer Pause nicht wieder gefragt seien. Die Antwort war ein deutliches Nein. Aber eines mit Beiklang. Den kann ich nun wirklich nicht wiedergeben. Damals nahm ich ihn wahr, verstand ihn aber nicht.
Ein paar Jahre später. Eine kirchliche Gremienwahl stand an. Im Vorfeld hatten Freunde verkündet, es werde wahrscheinlich wieder viel zu wenig Kandidaten geben. Jede und jeder, der am Gemeindeleben Anteil nehme, möge seinem Herzen doch einen Stoß geben.
Ich tat wie mir geheißen und dachte, einer damals neu errungenen Selbstsicht folgend, dass es womöglich zu einem gewissen Wahlerfolg kommen könne. Der Konjunktiv erwies sich als waschechter Irrealis. Also „hätte können”. 😉
Und jetzt eine Steigerung. Diesmal bin ich Letzter geworden. Der Looser. Yesss, hab ich’s doch gewusst.
Weil ich es nämlich berechnet habe. Und das ist es, was mir ein bisschen zusetzt. Bei anderen Dingen, die mit größerem Ernst verbunden sind, sehen meine Berechnungen nämlich ganz ähnlich aus. In einer Epoche, in der Lügner weltpolitische Macht erlangen – als Lügner! – und wahnsinnige Wirtschaftskapitäne mit geblähten Segeln in Richtung land’s end brettern… Schlechte Zeiten für Menschen mit Liebe zum Fernblick. Es ist zugig im Ausguck, das stelle ich mir als Landratte jedenfalls vor.
Glücklicherweise muss ich ja nicht hochsteigen. Eine Strickleiter rauf zu einem realen crow’s nest, brrr, der blanke Horror.
Dann freue ich mich doch lieber auf den nächsten Treppen-Aufstieg in Weißensee. Am Samstag vor dem Dritten Advent ist es wieder so weit. 🙂 Bis dahin halte ich mich mit Hausmusik über Wasser. Wer möchte, kann im nachfolgenden Stück nach maritimen Klängen fahnden. Kleiner Tip: Ganz ohne Waits-Wissen wird’s nichts werden.
Ich schreibe es und lache. Krähengleich.
P.S. Der Vogel oben auf dem Bild ist übrigens eine Dohle.