Orthodoxe Ostern, Weißer Sonntag und eine Taufe mit olympischer Starthilfe. Darum geht es heute im Lautwert-Blog.
Russisch-orthodoxe Christen gratulieren sich gegenseitig zu Feiertagen: «Поздравляю с праздником» (pozdravljáju s-prázdnikom)!
Wie viele Jahre habe ich das nun schon nicht mehr gehört? Oder sträflicherweise nicht mehr gesagt, denn auch wenn ich lange nicht mehr in osteuropäischen Gefilden war, #Berlin ist an vielen Stellen russisch gefärbt und im entsprechenden Gotteshaus war ich auch schon einmal.
Allerdings zählen sich meine russischen Freunde an der Spree nicht zur christlichen Gemeinschaft, zumal nicht zur orthodoxen Kirche. Was mich nicht davon abhält, an dieser Stelle zum orthodoxen Osterfest zu gratulieren: Поздравляю с пасхой! Христос возкресе!
Wir weströmische Christen feiern schon seit einer Woche das Hochfest der Auferstehung. Erst 2025 werden die Ostersonntage der West- und Ost-Kirche das nächste Mal zusammenfallen (Siehe hier).
Bis dahin heißt es tapfer sein – jedenfalls für die konfessionell gemischten Paare respektive Familien. Es sei denn, in den kommenden Jahren passiert ein ökumenisches Wunder.
Wunder passieren ja, mögen sie auch gemeinhin kein biblisches Niveau erreichen. Selbst eingefleischte Atheisten können nicht ernsthaft abstreiten, dass ihnen gelegentlich unerwartete Geschenke gemacht werden. Schon klar, Atti-Freunde, Geschenke gehen auf einen Geber zurück und genau an dessen Existenz glaubt Ihr nicht.
Liebe Ungläubige (na, Google, tickt da was im Algorithmus ? 😉 ), mit diesem Problem seid Ihr nicht allein. Auch wir Christen halten Geschenke oft für Zufälle. Nur sind wir dazu angehalten, öfters nachzufragen, ob etwas wirklich blinder Zufall ist oder doch ein Zeichen.
Von meinem geistliche Begleiter P. Loftus SJ habe ich den Ansatz mitbekommen, dem Zeichen-Charakter des Wirken Jesu von Nazareth mehr Aufmerksamkeit zu schenken als dem Wunder-Baren.
Natürlich war die Aktion bei der Hochzeit zu Kana (Joh. 2) ein vormoderner Biotech-Knaller, Vater Loftus als Naturwissenschaftler sah das durchaus. Aber die Leute damals hatten einen anderen Background als wir. Sie wussten, dass alkoholische Gärung existierte, aber sie hatten keine Möglichkeiten, Hefezellen zu Gesicht zu bekommen. – Wenn Vater Loftus SJ mit unserem konfessionell bunt gemischten Kreis die Eucharistie feierte, sagte er gerne: „Wir haben keine Ahnung, Herr, wie Du das machst. Aber du machst aus diesem Stück Brot und diesem Schluck Wein deinen Leib und dein Blut. Und die beiden schenkst Du uns.“ – Das ist für Agnostiker und Atheisten zugegebenermaßen schwere Kost. Für uns Katholiken auch, wenn wir ehrlich sind. Aber ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass dieses rätselhafte Geschenk massive Auswirkungen haben kann, die sich persönlicher Selbstkontrolle entziehen.
Es gibt bestimmt Zeichen, die leichter zu verstehen und für Nicht-Glaubende besser nachzuvollziehen sind. Vielleicht ja das hier.
Das erste Mal wurde mein Herz in Rosenheim gebrochen. So richtig echt, mit realen Schmerzen im Brustkorb. Jahre später las ich, dass die Redensart vom gebrochenen Herzen nicht so ganz aus der Luft gegriffen ist. Da geht es schon um physische Veränderungen der eher unangenehmen Art.
Klar, Liebeskummer muss nicht zu Herzinfarkt führen, schon gar nicht bei einem Mittzwanziger, der ich damals war. Dass der Verlust eines geliebten Menschen durchaus einen Gefäßschaden im Pumporgan auslösen kann, erfuhr ich lange vor meinem eher harmlosen Verlust. Beide Großeltern, die den Tod ihres Partners überlebten, erlitten einen Herzinfarkt kurz nach dem Tag X. Den beide wiederum überlebten, aber nur dank zügiger ärztlicher Versorgung, im einen Fall dramatischer als im anderen.
Meinen Kopf hatte ich an jenem Sommertag aber nicht bei meinen Großeltern, sondern bei meiner eigenen Wahrnehmung. Das tat scheußlich weh. Und der körperliche Schmerz war ja nicht das Einzige, was mir zusetzte.
Unversehens gab es aber eine Ansage. Obwohl nicht akustisch, war sie doch so deutlich, dass ich sie mir bis zum heutigen Tag in lebhafte (wörtlich zu verstehen) Erinnerung rufen kann. Ich gehe hier wohlweislich nicht in die Details. Schließlich geht es hier um ganz und gar Intimes und das gehört nicht in das Medium, wo der Kraken nach Beute sucht, gublubb gublubbel…
Allerdings war es weder das erste noch das letzte Mal, dass ich diese nicht akustisch beschreibbare Stimme vernahm. Ich weiß nicht, wer mich da angesprochen hat. Meine Vermutung hat nichts zu sagen. Aber eines weiß ich sicher: Ich war es nicht. I didn’t talk. Auch nicht im Geiste, ich höre mich ganz anders an, wenn ich mit mir selber rede.
„Aha, Thorsten hört Stimmen.“ Nö, tu ich nicht. Jedenfalls keine, die sich nicht aufzeichnen ließen. Aber ich nehme Stimmungen wahr. Komischer Zufall (sic!), dass wir im Deutschen ein und denselben Begriff für akustische und emotionale Wahrnehmungen verwenden. Verstimmte Instrumente führen unter anderem auch zu bad vibes bei Zuhörenden, aber letztere sind in erster Linie etwas Anderes als physikalische Phänomene.
Good vibrations gab es en masse am Vorabend des Weißen Sonntags in der Kapelle von St. Christophorus Berlin Nordneukölln. Wir feierten eine Taufe. Schon aus Gründen des Datenschutzes nenne ich hier keine Namen, aber der zweite Vorname des Täuflings brachte in mir mehrere „Saiten“ zum Schwingen. Andere gesellten sich dazu, die nichts mit persönlichen Erinnerungen zu tun hatten, jedenfalls glaube ich das. (Die Einordnung kann mir niemand von Euch abnehmen, Freunde. Die Idee auch nicht.)
Zwischen dem Täufling und mir gab es keine persönlichen Parallelen, so ziemlich alles, was unterschiedlich sein kann, ist unterschiedlich. Und das nun getaufte Kind (kann man schon noch sagen) erinnerte mich ganz und gar nicht an die Herzensbrecherin wider Willen, die sich damals nur gegen einen vermeintlichen Gegner zur Wehr setzte.
Dafür ging mir besagte Frau, längst weit entfernt von mir lebend und mit einer offensichtlich wunderbaren kleinen eigenen Familie gesegnet (samt Tochter, der sie einen großartigen Namen gegeben hat), die ganze Heilige Woche nicht aus dem Kopf.
Dabei ging es mir – zu meinem eigenen Erstaunen – nicht um Bilder der Vergangenheit. Die Bilder vor meinem geistigen Auge hatten auch nichts Bedrohliches, nichts Trauriges oder sonstwie Störendes. Photographisch gesprochen: Die Bilder waren unscharf. Und dieser Eindruck war ein bisschen unangenehm, unbequem. In einer spirituell hochgradig aufgeladenen Woche fiel das aber kaum ins Gewicht. Ich kann die „Aufnahme“ jederzeit wiederholen und vielleicht irgendwann doch noch mit den realen Augen, die ich vorne im Gesicht trage.
Schon damals stellte ich der noch ungebundenen G. die Gretchenfrage. Ja, ich war Gretchen, sie war Faustens Henner, hihi.
Sie hielt es unbestimmt, klar agnostisch. Ich denke, sie ist dem treu geblieben. Ich habe keine Informationen, die auf etwas anderes hinwiesen. Eher eine Ansage, die für die Annahme spricht, dass die Besagte nichts davon hält, ihrer halben Namenscousine nachzueifern, die sich gestern von Pfarrer Kalle Lenz SAC mit Taufwasser begießen ließ. „Du kannst es dir aussuchen“, sprach der Pallottiner zur Tauf-Kandidatin. „Du kannst den Kopf nach vorne neigen, das ist dann eine Verbeugung vor Jesus. Oder Du legst den Kopf in den Nacken, das bedeutet: Ich bin offen für Dich.“ Das Mädchen entschied sich für die Geste der Offenheit. Ich fand das sehr bewegend. Und vielleicht war das ein „Ton“, der eine Saite anrührte, die mit Gedanken an G. verbunden war und ist.
Die vorhin erwähnte Ansage, die mich vor einigen Wochen aus heiterem Himmel traf und auf eine emotionale Achterbahn schickte, hatte mehr von einer Verbeugung. Ich finde, dass die Offenheit besser zu meiner damaligen Blume von Belgorod passt. Offenheit nicht gegenüber einer längst vergangenen und nicht wiederholbaren Geschichte, sondern gegenüber der Zukunft, die Wunderbares für alle bereithält, die sich trauen, Geschenke anzunehmen. „Till we have faces“ fällt mir da ein. Aber das ist schon eine andere alte Geschichte aus dem Umfeld des Bergs Olymp. Und heute sagt man da etwas Anderes:
Χριστὸς ἀνέστη! Ἀληθῶς ἀνέστη!