Vater werden ist… – der Anfang einer bekannten Redewendung. Wie schwer ist es wirklich, Vater zu sein?
Viele alte Römer haben sich das mutmaßlich nicht so genau gefragt. Für den schwierigen Teil, von der Prüfung und gegebenenfalls Entfernung des Nachwuchses über die mühsame Arbeit am Kleinkind bis zur schulischen Erziehung – dafür gab es Personal. Wenn das Geld nicht für Sklaven reichte, musste die Gemahlin den stressigen Job alleine machen. Während der Pater familias seinen Anliegen nachging, zwischen Arbeit und Therme. In meiner Trierer Zeit machte ich mir so meine Vorstellungen davon.
Natürlich, das war alles reine Phantasie. Ich war nie Römer in der zweitwichtigsten Stadt des Imperium Romanum. Porta Nigra, Kaiserthermen, Konstantin-Basilika – alles Gebäude, die ich oft sah. Aber was vor Ort zur Blütezeit der italienischen Okkupation an der Mosel abging, war meinerseits pure Spekulation und blieb selbst ziemlich abstrakt.
Immerhin hatte ich regelmäßigen Kontakt zu einer Restauratorin, die für das örtliche Museum Artefakte der Römerzeit präparierte. Ab und zu auch mal ein Skelett. Sie erzählte mir einmal von einem Legionär, dessen sterbliche Überreste von ihr gereinigt und weiter aufbereitet wurden. „Über dem Unterbauch, also auch über dem ehemaligen Gemächt, war ein riesiger Schimmelpilz.“ – Tja, Vater werden. Wenn’s blöd läuft, kommt ein Möchtegern-Champignon dabei raus.
Aber vielleicht hatte Mr. Mushroom ja auch echte Kinder? Deren späte Nachfahren heute in Koblenz, Kopenhagen oder Sydney leben. Who knows? Wer zählt die Völker, nennt die Namen?
Das war jetzt Schiller. Der gern auch von rumkleckernden schrägen Vögeln zitierte Klassiker. Die gern auch mal einen Teilsatz aus dem Zusammenhang reißen, um ihren Schiss damit anzureichern, gelle, Herr G. aus P.?
Ja, in meinem Schiller-Zitat geht es eigentlich um starken Tobak. Ein Dichter ist erschlagen worden, im international besuchten Amphitheater wird’s beklagt und Zugvögel bringen die Täter zum Geständnis. Was der verpilzte Legionär auch immer auf dem Kerbholz gehabt haben mag, Nachkommen zeugen ist kein Verbrechen. Eher ein Verdienst. Das ich nicht habe.
Heute ist Christi Himmelfahrt, nicht nur bei kirchenfernen Zeitgenossen besser unter dem Namen „Vatertag“ bekannt.
Da ich nie auch nur in die Nähe des V-Status kam, war und ist mir das mit diesem weltlichen Fest verbundene Brauchtum vollkommen schnuppe. Mein Mitleid mit Bollerwagen-Schiebern und ihren Getränkelieferanten, die aus Gründen der Pandemie-Bekämpfung nicht Straßen und Felder befeuchten dürfen, hält sich in sehr engen Grenzen. Nennt mich ruhig herzlos.
Aber es gibt ja noch eine andere Vaterschaft, heißt es. Kirchliche Würdenträger nennen sich und Amtsvorgänger zuweilen gerne Väter. Eines der, mit Verlaub, ekligsten geistlichen Bücher, die ich gelesen habe, stammt von einem protestantischen (!) Theologen, der in seinem monumentalen Schinken ausschließlich Männer zu Glaubenszeugen erhebt. Frauen kommen bei ihm nicht vor.
Ich konnte das Buch „Väter der Kirche“ nur anlesen, dann ließ mich der Ekel den Tomus mit Schmackes schließen. Und wenn ich heute daran zurückdenke, möchte ich dem Mann mit ebenso viel Nachdruck Mt. 23.9 um die patriarchalen Ohren hauen. („…[Der Stock] ist auch ganz weich, Herr!…“ – Na? Wer hat das Zitat erkannt? Es ist nicht von Schiller. 😀 )
Es gibt Menschen, die ich durchaus als Väter ansehe, obwohl sie nicht mit mir verwandt sind. Sie haben aber auch nie Wert darauf gelegt, von mir mit Vater-Titel angesprochen zu werden. Beziehungsweise würden sie mich schräg angucken, käme ich auf die Idee, sie so zu titulieren. Gestern hörte ich etwa: „Mach’s gut, mein Junge!“ – Der das zu mir sagte, ist einer meiner engsten Freunde und tatsächlich ist er deutlich älter als meine Eltern. Deswegen kann ich auch gut damit leben, als Fifty Something mit „Junge“ angesprochen zu werden, finde es sogar nett. Très charmant. 🙂
Mein väterlicher Freund weiß aber, dass ich einen Papa habe und er hat selbst leibliche Kinder.
Ich finde nichts dabei, väterliche Gefühle für einen jüngeren Menschen zu empfinden, wenn es um reines Wohlwollen geht. Aktuell wüsste ich niemanden, dem ich so gegenüber stehe. Es muss ja auch nicht sein.
Vor allem gönne ich jedem Mitmenschen mit Nachwuchs, dass sie oder er Freude am Gedeihen eigener Kinder hat. Und auch fremder, denn mit denen stehen die Sprösslinge hoffentlich in lebendiger Verbindung.
Mir war und ist es nicht gegeben, von Jüngeren als väterliche Figur gesehen zu werden. Das mag auch damit zusammenhängen, dass meine „Schützlinge“ seit nunmehr sieben Jahren durch die Bank mehr Lebensjahre auf dem Buckel haben als ich selbst.
Als ich heute den kirchenmusikalischen Dienst für die Messfeier in St. Richard vorbereitete, musste ich an einen Gottesdienst denken, an dem ich als Drittklässler teilgenommen haben dürfte. Der Zelebrant machte eine Ansage zum kindgerechten Kirchenlied „Lasst uns das Mahl nun feiern!“
Ein schmissiger Refrain-Vers! Extrem kultig, wie ein Studienfreund aus FfM gesagt hätte. Aber nicht damit hatte der damalige Pfarrer ein Problem. Sondern mit unserer tief westfälisch geprägten kindlichen Singweise der zweiten Refraintextzeile:
„Lasst uns zu unserm Vater gehn“
Nur wer aus dem Sauerland (oder Ruhrgebiet) kommt, versteht auf Anhieb, wo hier das Problem lag.
Für alle anderen: Der längst in die Ewigkeit gegangene Geistliche stieß sich am „Vater“.
„…Kinder, ihr singt sehr schön. Aber wenn der Organist Herr Bohrmann nächstes Mal das Lied spielt, dann singt bitte nicht ‘lasst uns zu unsam Vatta gehn‘…“
Ich bin mir sicher, dieser Priester ist mit Musik in den Himmel gekommen. Er war ein durch und durch lebensfroher Mensch, der zu feiern verstand, der Jazz, schnelle Autos und das Fliegen mit der eigenen Maschine liebte, bei dem es, wie es in einem Zeitungsportrait einmal treffend hieß, „menschelte“. In meiner Heimatstadt Attendorn eine Anerkennung erster Klasse als „einer von uns“.
Als der so Gelobte im Himmel ankam, hätte ich liebend gern (Kirchen-) Mäuschen gespielt.
Ich stelle mir vor, dass Jesus ihn anlächelte und dann fragte: „Na Werner, wolln wir beide jetz‘ zum Vatta gehn?“
Uns allen einen solchen Vatertag!
Daumen hoch von einem Vater!
Wieder super geschrieben, doch fuer die allermeisten Menschen bzw. Väter schwere Kost, zumal in diesem Jahr die geistigen Getränke fehlen.