Euch allen eine gesegnete Weihnachtszeit. Die gerade erst begonnen hat.
Bevor ich gleich ein paar Gedanken zum viel zu oft verkannten Fest äußere, gibt es erst einmal was auf die Augen. Und auf Ohren, wie bei mir nicht anders zu erwarten. 😉
Mein besonderer Dank geht dabei nach HH:
Tack så mycket till Margareta Schirmacher, vem är webredaktör och administrator på den Svenska Gustaf-Adolfkyrkan i Hamburg.
Und jetzt zum Eingemachten.
Nie zuvor bekam ich in den letzten Vorweihnachtstagen so viel Drama geboten wie 2019. Vom Überfordertsein durch sinnleer gewordene Rituale bis zu handfesten familiären Krisen war alles dabei. Das hat man davon, wenn man mit mehreren Dutzend Menschen zu tun hat. Vorwiegend mit Älteren, deren soziale Verbindungen naturgemäß breiter gefächert sind als bei Teenagern.
In Fragen der christlichen Religion und somit der Original-Bedeutung des Weihnachtsfestes, erwiesen sich die Senioren mehrheitlich als Azubis respektive Lehrunwillige.
Erinnerungsträchtige Weihnachtslieder, gerne auch von der kitschigen Sorte, lustig-besinnliche Geschichten, in gemütlicher Runde vorgetragen, Punsch, Glühwein und leckere Plätzchen – alles gut. Aber wehe, da wird plötzlich von der Geburt eines Kindes auf der Flucht gesprochen. Auch politisch aktive Zeitgenossen entblöden sich nicht, Predigern vorzuwerfen, sie mischten sich unzulässigerweise in laufende Debatten ein, wenn sie Parallelen zwischen dem (zeitweilig) obdachlosen Paar aus Nazareth und heutigen Flüchtlingen zögen. Klar, man kann das kritisieren. Wurden Miriam und Joseph samt Baby Jehoschua doch erst zu wirklichen Flüchtlingen, nachdem der local lord seine Krieger auf die vermeintliche Nachwuchs-Konkurrenz losließ. Einen Herodes haben wir aktuell nicht in Europa, nicht einmal jenseits des Atlantik. Aber es gibt hier wie dort ein paar Granden, von denen jedenfalls ich öfters denke, sie veranstalteten einen „Herodes Look Alike Contest“. #HLAC2019 #Trump #Bolsonaro #HerodesLookAlike
Was die Weihnachtsgeschichte für mich mit der bundesdeutschen Realität heute Eins-zu-Eins verbindet, ist: gewollte Ahnunglosigkeit.
Was werden sich die Einwohner von Betlehem gedacht haben, als die hochschwangere Miriam und ihr Mann nach einer Unterkunft suchten?
Bestimmt kam niemand auf die Idee „Ej(a), da kommt mein Retter! Macht hoch die Tür, die Tor macht weit!“ Zumal das Paar einen verdächtigen Dialekt gesprochen haben dürfte. Sie kamen aus dem Norden und die Leute von da genossen bei den tempelnah wohnenden Judäern einen schlechten Ruf. Lustig zugespitzt: Ein kinderwartendes Dänen-Paar kommt im Winter zu Fuß nach Oberndorf bei Salzburg. (Uraufführungsort von „Stille Nacht, heilige Nacht“). Und bittet um Einlass. Beim Pfarramt der Stille-Nacht-Kapelle. Hallo?! Zu viel øl im Tank? hihi…
Natürlich, uns Europäern ist kein Erlöser verheißen. Besetzt sind wir auch nicht, obwohl diverse AfDeppen und ihre Kumpane so etwas behaupten.
Aber gewollt ahnungslos begegnen wir Fremden trotzdem. Denn auch wenn nicht jeder ein Messias, ja nicht einmal ein Heiliger ist – wenn wir uns ein Bild machen, erwächst das doch meistens aus Vorurteilen. Wer uns wirklich gegenübersteht und was dieser konkrete Mensch für eine erlebte Geschichte hat, das interessiert uns normalerweise nicht. Wenn er / sie auch noch um etwas bittet, also, bei mir gehen da verhältnismäßig schnell die Mundwinkel runter. Meine fast schon sprichwörtliche Gutmütigkeit wurde schon zu oft ausgenutzt, als dass ich jedem Fremden vorurteilsfrei und mit offenen Armen entgegenginge. Manche nennen so etwas „gesunden Selbstschutz“. Ich selbst auch. Weiß aber zugleich, dass allzu gesund menschliche Handlungen moralisch nie hundertprozentig ok sind. Entwicklungsgeschichtlich gilt: Wer misstraut, lebt länger. Kollateralschäden sind Mutter Natur egal. Mir nicht, aber die Natur werde ich nicht bekehren können.
Und hier kommt nach meinem Glauben der menschgewordene liebende Gott ins Spiel. Besser: Er kommt zur Welt, wird geboren. Und am Anfang verhält er sich so wie jeder Mensch am Lebensanfang: kriegt alleine nichts auf die Reihe, schreit, weint, nässt.
(Ich hörte, in der Koran-Erzählung von der Geburt Jesu, könne das Kind von Anfang an sprechen. Na ja, wer’s dem Koranverfasser glaubt…)
Und dann müssen seine Eltern fliehen, in erster Linie seinetwegen. Kindheit in der Fremde (Ägypten), spätere Rückkehr in die Heimat, die der kleine Jehoschua nie zuvor gesehen hatte, dann die schräge Aktion bei der ersten Wallfahrt nach Jerusalem. Hier zeigt sich, jedenfalls für mich, zum ersten Mal der Jesus, der später die ganze Welt bewegt. Die Wende läuft nicht in einer einzigen Bewegung, so dramatisch die auf Golgotha auch ausfällt. Es ist etwas, was sich wie ein roter Faden durch die ganze Bibel zieht: Gott lässt Zeit. Uns.
Vielleicht sollten wir uns daran ein Beispiel nehmen. Ich glaube, das werden auch praktizierende Atheisten als beschenkend wahrnehmen und wir Gläubige erst recht. Wer dem Gegenüber Zeit schenkt, sich auszudrücken, aus seinem Herzen zu sprechen, ist nicht vor Enttäuschungen sicher. Aber es wird auf jeden Fall reichlich Geschenke geben. Weihnachtlichsgeschenke, die man nicht umtauschen möchte und auch nicht kann.
Eine gesegnete Weihnachtszeit!
Nicht so einfach, einen spontanen Kommentar zu schreiben. Das spricht für den nachdenkenswerten Inhalt. Und das sollte man tun.